„Klärschlammverwertung im Umbruch – Koexistenz von stofflicher und energetischer Verwertung ist möglich“

VQSD blickt auf die erfolgreiche 9. Fachveranstaltung „Klärschlammverwertung im Umbruch“ zurück.

In St. Martin an der südlichen Weinstraße referierten sachkundige Spezialisten und gaben Informationen aus erster Hand an die interessierte Zuhörerschaft aus Erzeugern und Verwertern von Klärschlamm, Mitarbeiter von Kommunen und Behörden sowie Vertreter von Verbänden und Ingenieurbüros weiter. Die durch den Vorsitzenden des VQSD, Dr. Reinhard Speerschneider, moderierte Fachveranstaltung war mit rund 70 Teilnehmern gut besucht. Der rege Zuspruch ist ein Anzeichen für die Aktualität der Fachreferate.

 

Das Fachpublikum verfolgt interessiert die Vorträge der Referenten.

Hans-Walter Schneichel vom Ministerium für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung Rheinland-Pfalz sprach zum aktuellen Sachstand zur Neuordnung der Klärschlammentsorgung, den Positionen der Bundesländer sowie zu Änderungen im Düngerecht. Kritisch gesehen wurden hier vom Referenten aber auch dem Publikum die vorgestellten Fristen zur Vorlage eines Berichts der Betreiber von Kläranlagen über die geplanten und eingeleiteten Maßnahmen zur Erfüllung der Pflicht der Phosphorrückgewinnung bis Ende 2019. Zu Recht kam aus den Reihen der Zuhörerschaft die Frage nach der Umsetzbarkeit in der Kürze der Zeit. Sehr positiv hingegen wurde die Entwicklung aufgenommen, dass eine Ausnahme vom Verbot der bodenbezogenen Verwertung von Klärschlamm aus Kläranlagen bis zu 50.000 Einwohnerwerten in Fachkreisen diskutiert werde. Dies entspricht ca. 95% der Kläranlagen Deutschlands. Keine neue Aussage gab es zum Einsatz von synthetischen Polymeren ab Januar 2017 durch den Gesetzgeber. Ein schriftlicher Prüfbericht zum geforderten Abbau liege dem BMEL noch nicht vor. Die zukünftige Anwendungspraxis könne aber so aussehen, dass ein Einsatz synthetischer Polymere von Herstellern die die Gesetzeskonformität bestätigen auch nach dem 31.12.2016 möglich ist. In seinem zweiten Vortrag zeigte Schneichel auf, welchen Einfluss Änderungen im europäischen und deutschen Düngerecht auch auf die Verwertung von Klärschlamm haben können. Genannt wurde im speziellen die Berücksichtigung des Gesamt-N-Gehalts von Düngemitteln bei der 170 kg N-Obergrenze oder die Ausweitung von Sperrfristen.

Der Vortrag von Rechtsanwalt Dr. Patrick Blümcke, Rehm & Siriu Rechtsanwaltssozietät, zur juristischen Einordnung des Referentenentwurfs zur Neuordnung der Klärschlammverwertung und deren Unvereinbarkeit mit der EU-Klärschlammrichtlinie fand große Beachtung. Die Umsetzung der bundespolitischen Vorgaben bedeute für die Klärschlammverwertung in Deutschland einen klaren Paradigmenwechsel. Der Alleingang Deutschlands beim Ausstieg aus der bodenbezogenen Verwertung sei nicht durch europäisches Recht gedeckt. Beim Ausstieg sieht Dr. Blümcke Umweltschutzaspekte und eine „verstärkte Schutzmaßnahme“ nicht im Vordergrund, denn die bodenbezogene Verwertung (Recycling) sei laut Kreislaufwirtschaftsgesetz der sonstigen Verwertung, zu der die Verbrennung zähle, vorzuziehen. Eine klare Ungerechtigkeit sei, dass die Kläranlagenbetreiber die Kosten der Phosphorrückgewinnung zu tragen haben.

Fabian Kraus, Mitarbeiter des Kompetenzzentrum Wasser Berlin stellte in seinem Folienvortrag die Nährstoffrückgewinnung aus Abwasser und ob es sich um praktikable Verfahren oder eher politische Zielstellungen handele vor. Im Detail wurde behandelt, warum sich bei der Phosphorrückgewinnung vor allem das Struvit-Fällungsverfahren bei Kläranlagenbetreibern aufgrund operativer Vorteile, wie das Vermeiden von Inkrustationen sowie besserer Ablauf- und Entwässerungswerte, von Beliebtheit erfreue. Die Phosphor-Rückgewinnungsraten seien zurzeit mit 5-20%, bezogen auf den Kläranlagenzufluss, aber sehr niedrig. Kraus präsentierte weiter eine diesbezügliche Abschätzung von Kosten und Umweltauswirkungen. Die Monoverbrennung arbeite in einem niedrigen Temperaturbereich, hier sei der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen wie Distickstoffmonoxid (Lachgas) immens.

Den die Veranstaltung abschließenden Vortrag hielt Frau Martine Schraml vom VDLUFA Speyer, die den leider verhinderten Prof. Dr. Franz Wiesler vertrat. Anwendung von organischen Düngern und organischen Reststoffen in der Landwirtschaft wurden hier der Zuhörerschaft vorgestellt. Derzeit gebe es in Deutschland einen Stickstoff-Überschuss von ca. 94kg/ha und einen leichten negativen Saldo von -1,5kg/ha beim Phosphor. Schraml zeigte zum Ende ihres Vortrags Nutzungsempfehlungen zur Zukunft der organischen Düngung auf und stellte die Wichtigkeit dieser als Quelle von Nährstoffen und als Humusersatz heraus.

Die Referenten und Ausrichter der 9. VQSD-Jahrestagung in St. Martin: v.l.n.r. Dr. Reinhard Speerschneider (VQSD Vorsitzender), Hans-Walter Schneichel, Dr. Patrick Blümcke, Fabian Kraus, Martine Schraml und Andreas Schuch (VQSD Geschäftsführer)

In seinem Schlusswort dankte Dr. Speerschneider allen Referenten und dem Fachpublikum für die zahlreichen Diskussionsbeiträge, welche zeigten, dass eine Koexistenz aus energetischer und stofflicher Klärschlammverwertung in Deutschland weiterhin möglich sei. Dr. Speerschneider zeigte sich weiterhin sehr erfreut, dass polymerkonditionierte Klärschlämme ab 2017 durch Konformitätsbestätigung der Polymerhersteller weiter landwirtschaftlich verwertet werden können.

Als Vorsitzender des VQSD fordert Dr. Speerschneider, dass sich der Ausbau des technischen Phosphor-Recyclings auf die bereits heute „verlorenen“ P-Mengen konzentriere. Das seien in erster Linie Klärschlämme, die die dünge- und abfallrechtlichen Anforderungen (Grenzwerte) nicht einhalten und mitverbrannt werden. „Hochwertige gütegesicherte Klärschlämme und Klärschlammprodukte müssen auch nach Ablauf der Übergangsfrist für die bodenbezogene Verwertung zur Verfügung stehen.“ mahnte Dr. Speerschneider abschließend.